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Mittwoch, 28. Juni 2017

Wichtige Fragen geklärt – andere noch ungelöst

Die Ferien beginnen in zwei Tagen, und die ganze Familie ist entsprechend aufgeregt. Zeugnisse, letzter Tag im Kindergarten vor der zweimonatigen Pause (die Freunde der kleinen Schwester gehen noch zwei Wochen länger in den Kindergarten), Abschied von Freunden und Lehrkräften, Jahresabschlussfeier der Schule mit Ehrung der besten Schüler und Schülerinnen – es liegt einfach ganz viel an. Und dann müssen alle auch noch packen, denn der Flieger geht am ersten Ferientag, am Samstag schon. Die Kinder sind wirklich wuselig.

Was sie nicht wissen: Nicht nur der Patenonkel wird am Flughafen auf uns warten, sondern auch Oma, Opa und der Cousin. Bei der Oma am Urlaubsort werden außerdem einige Überraschungen auf sie warten. Die Kinder wachsen. Dementsprechend sind neue Reithelme und -stiefel nötig, wir brauchen Lernmaterialien für die Schule, Schulbücher und einen neuen Schulrucksack. Shizuka ist jetzt nach sechs Schuljahren aus dem alten Scout-Ranzen wirklich herausgewachsen und besteht auf einer etwas altersgemäßeren Verpackung für Bücher und Hefte. Außerdem ist Ferienliteratur nötig: Der Kindle ist zwar schon geladen, aber vor allem die kleine Schwester liest eben doch noch lieber auf richtigem Papier. Die erste Überraschung gab es schon zu Hause in Japan: Shizuka hatte für eine Übernachtung in der Schule einen neuen Schlafsack bekommen, weil der alte in Deutschland geblieben ist. Der Neue wird selbstverständlich mitgenommen und muss in den Koffer. Für die Reiterferien.* Neue Kletterschuhe für Shizuka sind aus Gründen des schnellen Wachstums ebenso nötig wie für die kleine Schwester und die Mama**.

Wer bei den Reiterferien übernachtet und wer nicht, wissen wir indes immer noch nicht. Es stehen auch noch einige Verabredungen aus: Freunde, die uns treffen wollen, Städte, die wir sehen wollen. Alles noch nicht organisiert. Was dagegen durchaus schon organisiert ist: Die Kinder wollen ganz oft schwimmen gehen und das jeweils nächste Schwimmabzeichen erwerben. Für Shizuka wäre das das goldene Jugendschwimmabzeichen, für die kleine Schwester das Seepferdchen. Mama muss auch ran: Wenn die Mädchen wirklich ausreichend üben, um die Prüfung abzulegen, muss Mama ein Schwimmabzeichen für Erwachsene machen. Der neue Badeanzug dafür ist schon gekauft***. Das allein war schon schwierig genug, denn die deutsche Mama hat nicht die richtigen Abmessungen, um in einen "richtigen" Schwimmanzug im japanischen Sportgeschäft zu passen. Und die seltsamen Bademoden, die die japanischen Plansche-Mamas tragen, sind zum sportlichen Schwimmen nicht wirklich geeignet.

Die Betreuung für Haus und Garten ist derweil auch schon organisiert: Shizukas Gurkenpflanzen und den Kartoffeln der kleinen Schwester wird es an nichts mangeln. Während eine Freundin der Familie eineinhalb Wochen lang die Pflege übernimmt, werden anschließend die japanischen Großeltern für die übrigen eineinhalb Wochen unser Zuhause als Ferienhaus nutzen und selbstverständlich die ersten Früchte im Garten ernten. 

Es warten auf jeden Fall spannende Ferien mit vielen Überraschungen und Herausforderungen auf uns.


* Und für eine Übernachtung im Zelt mit einer sehr, sehr guten Freundin, die Japan vor einem Jahr verlassen hat und die uns ein Wochenende lang in Deutschland besuchen wird. Oma hat ein Zelt besorgt, dass dann im Garten stehen wird, wir wollen gemeinsam in die Boulderhalle gehen und ins Freibad. Alles schon geplant, die beteiligten Kinder werden das allerdings mehr oder weniger als Überraschung erleben. 

** Die Mama ist natürlich nicht rausgewachsen, sondern hat ihre Schuhe in den letzten vier Jahren so intensiv genutzt, so dass die Sohlen sehr, sehr rund geworden sind. Der Mythos von La Sportiva ist immer noch ein Traumschuh, aber eben nicht in rund. Daher muss jetzt langsam etwas Kantigeres her, das hoffentlich wieder so lange hält. Oder länger. Denn die alten Finken werden selbstverständlich nicht entsorgt, sondern stehen als bequeme Treter weiterhin zur Verfügung. Falls die neuen mal drücken. Soll bei Kletterschuhen ja vorkommen. Abenteuer übrigens: Denn zum ersten Mal überhaupt haben wir Schuhe im Internet bestellt. Da wir Mädchen der Familie sehr pienzig sind, was die Passform angeht, ist die Frage natürlich: Sind die neuen Schuhe wirklich passend für den Fuß? große Spannung!

*** Nicht aus modischen Gründen, sondern weil der alte Anzug nach nunmehr sechs Jahren und wöchentlichen Schwimmbadbesuchen plus Gelegenheitsbaden im Meer auseinanderfällt. Taugt alles nichts mehr, das neumodische Zeugs ...

Dienstag, 20. Juni 2017

Abschied, schon wieder

Das Schuljahr ist fast zu Ende, und es haben sich wieder einmal überraschende Freundschaften ergeben. Und wie im letzten Jahr verlassen auch diesmal wieder einige Familien das Land. Shizuka ist nur von einem Fall betroffen, der aber doch für Trauer sorgt. Sie hatte in der Schule tatsächlich erste zarte freundschaftliche Bande geknüpft, das Mädchen kennen wir schon lange, die Familie wohnt in der Nähe, und der Lebensstil ist unserem vergleichbar. Besonders nett: Shizukas neue Freundin steckt in einer ähnlich angespannten Situation wie Shizuka selbst auch, wächst mehrsprachig auf, hat eine Klasse übersprungen, interessiert sich für extrem spezifische Themen und pflegt eine Ratte als Haustier – sehr liebevoll, und ganz ohne Scheu irgendwelchen Krabbelviechern gegenüber.  Ein frecher kleiner Feger, Neuem gegenüber offen und sehr bestimmt, was die eigenen Präferenzen angeht. Zum ersten Mal hat Shizuka eine Seelenverwandte getroffen, die auch noch auf ihrer Wellenlänge liegt  trotz dem enormen Drang zur Unabhängigkeit. Der Abschied fällt also wieder schwer, zumal die kleine Schwester diesmal auch trauert. Wir werden gemeinsame Schwimmbadbesuche, Spielenachmittage und herausragende musikalische Darbietungen vermissen.

Andere Veränderungen betreffen in erster Linie das Personal der Schule und sind mit weniger Herzschmerz als vielmehr dem Verlust kompetenter Pädagogen und Pädagoginnen verbunden.

Und noch ein Abschied steht an: Shizuka konnte aufgrund eines besonderen Projekts der Schule das Sprachlernprogramm Rosetta Stone ein Schuljahr lang kostengünstig nutzen und hat das für Englisch und Französisch intensiv getan. Mit dem ersten Juli läuft unsere Lizenz aus. Shizuka wird schon nervös, wenn sie an die Arbeitshefte, Vokabelhefte und Grammatiken denkt, die sie danach wieder zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten und für den täglichen Vokabelspaß wird nutzen müssen. Wir hoffen immer noch, dass die Schule das Programm im kommenden Schuljahr wieder anbietet – so freudig habe ich noch nie ein Kind Vokabeln pauken sehen. Möglich wurde die Aktion wohl in der Zusammenarbeit mit der IJM Stiftung. Neben dem Sprachangebot von Rosetta Stone waren ein Mathe-Paukprogramm namens Better Marks und diverse Freizeitangebote mit der Initiative verbunden. Die Freizeitangebote klangen wirklich verführerisch, von Robotik-Camps auf hohem Niveau über Lego-Workshops und Philosophietage bis hin zu Walbeobachtungs-Expeditionen war wirklich alles dabei. Leider waren diese Angebote in erster Linie für in Deutschland ansässige Kinder und Jugendliche gedacht, an den deutschen Schulferien orientiert und außerdem aufgrund der sehr hohen Kosten für uns nicht nutzbar. Auch im Angebot des Junior-Studiums zeigte sich der extrem elitäre Gedanke der Initiative: Die monatlichen Gebühren dafür wären für uns nicht leistbar gewesen. Das Angebot ist ohnehin derzeit auf mathematische und wirtschaftliche Studiengänge beschränkt, so dass Shizuka dem nichts abgewinnen konnte. Sie war extrem enttäuscht davon, denn sie hatte sich nach dem tollen Einstieg über das Sprachprogramm sehr viel mehr erhofft. Wir sind neugierig, ob diese Fördermöglichkeit für begabte Schüler und Schülerinnen auf wirtschaftliche Interessen beschränkt bleibt und hoffen natürlich darauf, dass auch Menschen fernab kapitalistischer Interessen künftig derart gefördert werden können. Klingt etwas böse, ist auch genau so gemeint. ;-)

Dienstag, 13. Juni 2017

Komische Vögel

Shizuka und die kleine Schwester haben im Winter vorbildlich für das leibliche Wohl unserer gefiederten Freunde gesorgt. Das Futterhäuschen im Garten wurde regelmäßig neu befüllt. In den Bäumen waren kleine Töpfchen mit ゼリー (zerii, so eine Art Wackelpudding) für die kleinen grünen メジロ (mejiro, wörtlich Weißauge, kleiner grüner Vogel mit weißem Ring um die Augen) verteilt. Die Tiere trinken normalerweise Blütennektar und fressen Obst, informierten sich die kleinen Damen im Vorfeld. Für die Meisen gab es Sonnenblumenkerne, für die Tauben Mais, für ムクドリ(mukudori, japanische Stare) und ヒヨドリ (hiyodori, Orpheusbülbül) hingen aufgeschnittene Äpfel und Orangen in den Bäumen. Zusätzlich gab es getrocknete Mehlwürmer in kleinen Futternäpfen am Gartenzaun und Getreidemehl für die kleineren Vögel unbekannter Vorlieben. Die Spatzen flitzten überall dazwischen herum, manchmal kamen Rotschwänzchen in den Garten. Ab und an besuchte uns die Blauelster aus dem nahen Park. Nur die Krähen blieben fern, das Futter war nicht so ihre Sache. Im 和実 (wajitsu, traditionell eingerichteter Raum) hing ein Plakat vom Nabu an der Wand mit den verschiedenen sinnvollen Futterarten für jede Vogelart. Das war zwar auf die in Deutschland heimischen Vögel zugeschnitten, aber das japanische Federvieh scheint zumindest ungefähr den gleichen Geschmack zu haben. 

Die Tiere hatten das Futterangebot dankbar angenommen und beglückten uns täglich von Morgendämmerung bis spät in den Abend mit regem Partybetrieb im Garten. Besonders dreist waren die Spatzen: War das Futterhäuschen leer, untersuchten sie es erst innen und außen. Sehr akrobatisch und lustig anzusehen. War kein Futter mehr zu finden, flog jeweils einer (Der Sportlichste? Der Mutigste? Der in der Hackordnung Niedrigste?) vor die Scheibe des genannten 和実 und flappte aufrecht in der Luft stehend mit den Flügelspitzen gegen das Fliegengitter. Der Metallrahmen des Gitters schlug dann rhythmisch gegen den Metallrahmen vom Fenster, ein Heidenlärm also. Das wurde so lange gemacht, bis jemand in den Garten ging, um das Futterhäuschen aufzufüllen. Dann war Ruhe, die Spatzen futterten fröhlich weiter. Reagierte niemand, wurden die Vögel rabiater und flogen mit Anlauf gegen die Scheibe neben dem Fliegengitter. Das klapperte noch lauter, dazu kam das dumpfe Aufschlagen der kleinen Körper. Kein angenehmes Geräusch und allen bekannt, die schon einmal auf der Landstraße einen Vogel auf der Windschutzscheibe des Autos hatten.

Ende Februar war es dann mild genug, dass wir das Futter reduzieren und nur noch die nährstoffreichen Mehlwürmer und das Getreidemehl draußen hatten. Die メジロ saßen längst in Apfel- und Pflaumenblüten, die anderen Viecher klaubten sich langsam schon Insekten aus dem Boden. Im März kamen die Tiere zwar noch in unseren Garten, waren am Futter aber nicht mehr interessiert. Das Futterhäuschen wurde aber auch nicht zum Nestbau genutzt, ein paar gelangweilte Spatzen machten Turnübungen an der Unterseite des frei schwingenden Häuschens.

Und jetzt im Juni wurde es richtig interessant. Dank der feuchten Hitze wächst im Garten alles explosionsartig. Bedeutet: Einmal wöchentlich Rasen kürzen. Jeweils danach ist der Boden vor lauter wuselnden und futternden Vögeln kaum zu sehen. Da werden Käfer, Würmer, Fliegen, Maden, Larven, Asseln und Schnecken gepickt. Die ein oder andere Ameise musste sicherlich auch dran glauben. Wenn es nach dem Mähen auch noch regnete, ist die Fressorgie perfekt. Und vor unserer Haustür sammelten sich in den nächsten Tagen tote Krabbelviecher. Halbe und Dreiviertel Regenwürmer, Asseln mit gebrochenem Panzer und so mancher Käfer ohne Kopf lagen plötzlich auf den weißen Fliesen. Shizuka und die kleine Schwester fanden das erst einmal extrem ekelig. Man öffnet die Haustür und sieht auf einen Tierfriedhof! Und noch etwas passierte. Auf dem braunen Geländer zur Straße hin war neuerdings weißer Schmier zu sehen: Da halten sich eindeutig Vögel auf. Warum jetzt plötzlich? Warum die toten Viecher?

Shizuka hat ein bisschen recherchiert und ist auf eine interessante Sache gestoßen. Es scheint, dass Vögel ein recht ausgeprägtes Gedächtnis haben und tatsächlich mit Menschen interagieren, wenn sie ihre Nähe gewöhnt sind. Krähen und Elstern (schlaue Rabenvögel) bedanken sich mit glitzernden Fundstücken am Futterplatz für ihr Futter. In Zeiten von Nahrungsreichtum hinterlegen Wildvögel Beutestücke an bekannten Futterstellen. So wie die Freigänger unter dem Katzen ihre Besitzer manchmal mit toten Mäusen und Vögeln beglücken.

Shizuka und die kleine Schwester begannen, etwas genauer hinzusehen und auf Wetter und Mamas Gartenarbeitszeiten zu achten. Und da war ein Muster. Jedesmal, wenn gemäht wurde, häuften sich die toten Tiere vor der Haustür, und es gab neue weiße Flecken auf dem Geländer. Regnete es ein oder zwei Tage nach dem Mähen, wiederholte sich das Ganze. Um Fehler zu vermeiden, entfernten wir jeweils die toten Tiere, sowie wie wir sie bemerkten. Rundum auf den Stromleitungen: Stare und Bülbüls. Wir wurden beobachtet. Dem jetzt erst eingeweihten Papa kamen erst einmal Hitchcocks Vögel in den Sinn. 

Ist es undankbar, wenn wir die Futtergeschenke mit Handfeger und Schippe aufsammeln? Halten die Vögel das nun für unser Esswerkzeug? Dürfen wir die vom Schnabel abgesparten Gaben einfach im Müll entsorgen? Moralische Bedenken bei Shizuka und der kleinen Schwester. Die Vögel schienen aber nicht beeindruckt. Nach jedem Mähen lag der nächste Leichenhaufen vor der Tür.

Für Shizuka und die kleine Schwester ist klar: Im nächsten Winter wird im Garten wieder gefüttert. Wenn man dafür so viele Geschenke kriegt!

Dienstag, 6. Juni 2017

Schwierige Gruppenzugehörigkeiten

Bei Shizuka ist die Sache seit einem guten Jahr völlig klar: Sie ist Deutsche und sie ist Japanerin. Und sie deutsche Freunde und japanische Freunde. Als Deutschjapanerin in Japan auf der Deutschen Schule fühlt sie sich am richtigen Platz, auch wenn die besten Freunde jetzt seit fast einem Jahr fehlen.

Bei der kleinen Schwester ist das etwas schwieriger. Die ist auch Deutschjapanerin. Die ist auch in Japan. Aber sie geht in einen japanischen Kindergarten. Dort hat sie ihre Freunde, die sie jeden Tag sieht. Ihre Freizeit verbringt sie aber an der Deutschen Schule mit Aikido, Klavierspielen und Taiko. Wie die große Schwester. Und sie hat dort auch gleichaltrige Freunde gefunden, die sie aber nur jeweils einmal wöchentlich sieht. Die kommen nach den Sommerferien in besagter Deutscher Schule in die erste Klasse. Und die gehen in den Kindergarten besagter Deutscher Schule.

Und dann gibt es da noch die Freundin. Die Freundin ist auch Deutschjapanerin, und die Freundin ging bisher zusammen mit der kleinen Schwester in den japanischen Kindergarten. Sie hat eine große Schwester an der Deutschen Schule und wird nach den Sommerferien den Kindergarten der Deutschen Schule besuchen. Die kleine Schwester wird die Freundin also nicht mehr täglich sehen. Die Freundin trainiert nicht Aikido. Sie spielt nicht Klavier. Und sie spielt auch nicht Taiko. Die kleine Schwester wird sie, wenn überhaupt, nur noch zufällig auf dem Schulhof treffen. Und das ist gemein. Denn eigentlich ist die Freundin doch genauso wie die Kleine Schwester: Ein deutschjapanisches Kind mit großer Schwester an der Deutschen Schule. Kompliziert.

Es kommt erschwerend dazu, dass die kleine Schwester ab April 2018 in Japan ebenfalls schulpflichtig ist. Das weiß sie auch, im Kindergarten wird heftig darüber diskutiert. Sie weiß auch schon, mit wem sie in die gleiche Schule gehen wird: Zwei Freundinnen, die gleich um die Ecke wohnen und auch besagten japanischen Kindergarten besuchen. Das ist mit Vorfreude verbunden, immerhin bleiben die drei kleinen Damen dann zusammen. Voraussichtlich. Und dann philosophierte die kleine Schwester los ...

Ich will eigentlich gar nicht in die japanische Schule gehen. Da muss ich ja Kanji lernen. Das ist doof. Und außerdem ist das Essen dort doof. Der Shizuka* hat das gar nicht geschmeckt. Außerdem gibt es immer so viele Hausaufgaben! Shizuka hatte in der Deutschen Schule in der Grundschule fast nie Hausaufgaben**. Mama, für Dich ist das doch auch praktisch, wenn Du uns beide Kinder morgens nur in eine Schule bringst, oder?

Dass die beiden Freundinnen in der japanischen Grundschule da sind, finde ich gut. Ich bin Japanerin, wie die. Ich will auf die japanische Grundschule gehen. Der ランドセル (Randoseru, japanischer Schulranzen aus Leder) sieht viel cooler aus als die albernen Schulranzen in Deutschland. Außerdem ist der kleiner, den kann ich viel leichter tragen. Die Schule ist außerdem gleich nebenan, da muss ich gar nicht so weit laufen wie die Shizuka. Ich darf da ja sowieso nicht mit dem Fahrrad hin fahren***. Und ich komme viel früher nach Hause, weil die Schule gar nicht bis zum drei oder um vier nachmittags geht! Da kann ich ja immer noch in die Deutsche Schule gehen für Klavier und Taiko und so.

Aber eigentlich ist das auch doof. Weil meine Freunde in der Deutschen Schulen doch alle schon in die erste Klasse kommen und sich jeden Tag sehen. Und vielleicht finden die das blöd, wenn ich noch im Kindergarten bin bis nächstes Jahr. Und dabei können die noch gar nicht lesen! Ich kann das schon. Obwohl ich noch in den Kindergarten gehe, und obwohl ich in einen japanischen Kindergarten gehe. Voll komisch. 

Ich weiß eigentlich gar nicht so genau, wo ich dazugehöre. Irgendwie gehöre ich zu den japanischen Kindern vom Kindergarten. Aber ich gehöre doch auch zu der Deutschen Schule!

Mama, kann ich eigentlich zu beiden gehören? Die Kinder von der Deutschen Schule gehören doch nur zur Deutschen Schule, oder? 


An dieser Stelle hat sich Mama dann tatsächlich in den Monolog eingeschaltet. Denn natürlich können Kinder zu ganz unterschiedlichen Gruppen gehören, auch wenn das schwer zu verstehen ist. Und natürlich können sie alters- und klassenübergreifende Freundschaften pflegen. Auch wenn das nicht so üblich zu sein scheint. Bei Shizuka war das irgendwie einfacher in dem Alter, die hat sich weniger Gedanken gemacht und sich einfach über die Vielfalt im Freundeskreis gefreut, wie sie das auch heute noch tut. Die kleine Schwester denkt mehr darüber nach und sucht nach einer scheinbar vollständigen Zugehörigkeit. Wobei sie sich auch schon bewusst abgrenzt: In die Ballettgruppe, in der die meisten Mädchen ihrer Kindergartengruppe sind, will sie nicht gehen. Sie findet Ballett albern und will es einfach nicht machen, sie geht lieber bouldern. Da hat sie ihre Kindergartenfreunde und -freundinnen auch schon eingeladen. Aber nur ein Junge ist mal mitgekommen, und auch der nur einmal. In die Klavierschule, die die meisten Mädchen ihres Kindergartens gehen, will sie auch nicht wechseln. Denn das ist eine rein japanische Klavierschule. Sie lernt Lesen von Musik Deutsch und Japanisch, die Namen der Noten unterscheiden sich. Und sie genießt das auch, denn immerhin unterhält sie sich ja auch mit Freunden in beiden Sprachen über das Klavierspiel. Diesen Luxus bekommt sie nur in der Deutschen Schule, und das ist ihr durchaus bewusst. Wir sind erstmal gespannt, wie sich die kleine Schwester nach den Sommerferien in die neue Konstellation einfindet.


* Shizuka nutzte die frühen Sommerferien der Deutschen Schule letztes Jahr, um eine Woche lang die japanische Grundschule, in deren Einzugsbereich wir wohnen, zu besuchen. Sie hat die eine Woche genossen, fand sie aber auch anstrengend. Und das Essen war wirklich ganz anders als sie das kennt: In der Deutschen Schule gibt es ein Mittagsbuffet in der Mensa, wo sich alle Kinder einfach das nehmen, was sie mögen. Sehr salatreich, gemüselastig und immer mit Ramen und Udon als Alternative für diejenigen, die am Buffet nichts finden. Gezahlt wird das selbst zusammengestellte Mittagessen über ein Konto, das die Eltern mit ausreichend Yen versehen sollten. Große Freiheit also, und alle Kinder müssen ihre Allergien, Unverträglichkeiten und sonstige Probleme selbst managen. Klappt gut, soweit. Es werden beim Essen klassenübergreifende Freundschaften gepflegt, man scherzt mit den Lehrkräften, die einen eigenen Tisch in der Mensa haben, unterhält sich über die Theke hinweg mit dem Koch und dem Küchenpersonal, alles dreisprachig (Deutsch, Japanisch, Englisch). Eltern essen auch manchmal dort, und Geschwister können sich treffen. Hausaufgaben werden gemacht beim Essen, Klassenarbeiten und Referate besprochen. In der japanischen Grundschule wird das Essen von ein paar Kindern in den Klassenraum gebracht. Es gibt jeden Tag ein festes Menü. Die Lehrkraft isst mit den Kindern im Klassenraum, ermahnt sie zu guten Tischmanieren und sorgt dafür, dass alle ihre Portion aufessen. Die Klassenlehrkraft kennt die Allergien und Unverträglichkeiten der Kinder und muss dafür sorgen, dass jeder/jede nur isst, was er/sie verträgt. Alternativen gibt es nicht, es wird weggelassenen, was nicht geht. Und alles muss wenigstens probiert, ob es schmeckt oder nicht ist egal. Grundschule bis sechste Klasse, wohlgemerkt, nicht Kindergarten. Die Kinder sind also zwischen sechs und zwölf Jahre alt.

** Die Kinder sind angehalten, ihre Hausaufgaben in der täglich stattfindenden Dreiviertelstunde Lernzeit in der Schule selbstständig zu erledigen. Es sind Lehrkräfte im Raum anwesend, die bei Problemen helfen können und die die Kinder auch anregen, sich in dieser Zeit auf bevorstehende Klassenarbeiten vorzubereiten. Wer fertig ist, darf in die Bibliothek entschwinden, sich mit irgendetwas anderem ruhig beschäftigen oder mit Freunden reden. Nach Ermessen der Lehrkräfte dürfen die Kinder auch raus auf den Spielplatz der Schule gehen. Shizuka hat allerdings die Lernzeit grundsätzlich genutzt, um zu lesen, mit den Lehrkräften zu plaudern und ihren Ranzen zu sortieren, so dass sie durchaus öfters zu Hause etwas machen musste.

*** Die japanischen Grundschulen stellen keine Fahrradparkplätze für die Kinder zur Verfügung, die Kinder laufen morgens in fest organisierten Laufgruppen, die von den Eltern betreut werden. Begründung: Die Kinder können noch nicht selbständig im Straßenverkehr unterwegs sein, das ist zu gefährlich. Auch zu Fuß, deshalb muss die Eltern-Patrouille dabei sein. Mittags sieht jeder selbst zu, wie er oder sie nach Hause kommt. Mittage sind offenbar in Japan ungefährlicher als Morgen.