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Dienstag, 8. März 2016

Zwischen zwei Welten

Es ist Frühling, das erste Schulhalbjahr ist vorbei, und hier macht sich langsam Aufbruchstimmung breit. Etwa die Hälfte der Schüler und Schülerinnen in Shizukas Schule sind nur auf Zeit hier, müssen also jeweils nach ein, zwei, drei oder fünf Jahren zurück nach Deutschland oder ziehen weiter in ein anderes Land. Manche kamen aus Deutschland hierher, andere waren davor in den USA, in Frankreich, Malaysia, China oder den Emiraten. Was im letzten Sommer noch recht unproblematisch war, geht diesmal unter die Haut: Zwei Freundinnen von Shizukas gehen. Enge Freundinnen. Die ersten engen Freundinnen, die sie überhaupt hat, denn Shizuka tut sich etwas schwer mit Freundschaften, die unter die Haut gehen. Beide Mädchen haben deutsche Eltern, Rückkehr in absehbarer Zeit also eher unwahrscheinlich. Man war sich nicht wirklich in der Klasse näher gekommen, sondern eher in der Freizeit. Gemeinsam zum Bouldern gehen stand in den letzten drei Monaten sehr hoch im Kurs, wir waren zweimal wöchentlich unterwegs. Eltern und Geschwister kommen sich da auch näher, und so wird viel philosophiert, was denn da im Sommer passieren wird.

Ganz unterschiedliches kommt da zutage. Die eine Familie steht wirklich komplett hinter der Entscheidung, zurück zu gehen, hat auch beruflich wohl keine andere Wahl. Die Kinder freuen sich darauf, wieder im gleichen Land wie die Großeltern zu wohnen. Bei der anderen Familie sieht es anders aus. Man würde gerne länger bleiben, hat sich an Land und Leute gewöhnt, hat Freundschaften geschlossen. In Deutschland ist kaum Perspektive vorhanden, außer dass es eben für gewisse Berufsgruppen immer irgendwie weiter geht. Klar, Verwandte sind da. Freunde auch. Aber man ist sich doch sehr bewusst, was man hinter sich lässt. Und das spüren auch die Kinder. Die Große ist seit längerem nachdenklich. Sie will zurück nach Deutschland, vermisst Leute, die dort sind. Aber sie will auch bleiben. Sie sagt definitiv: Ich bin auch hier zu Hause. Ich habe nicht eine Heimat, ich habe zwei davon. Und die ältere Heimat wird, wenn ich zurück bin, vermutlich keine Heimat mehr sein, sondern Fremde. Deutschland hat sich verändert während der letzten paar Jahre, und das spüren auch Elfjährige deutlich. 

Shizuka hält sich aus den Unterhaltungen heraus. Sie hatte ihre Identitätskrise vor gut eineinhalb Jahren, als sie Deutschland hinter sich gelassen hat und dahin gezogen ist, wo sie sonst nur im Urlaub war. Sie kennt das Gefühl, nie wirklich zu Hause zu sein, weil zu Hause nicht ein Ort ist, sondern viele Orte. Das waren harte Monate, bis sie das für sich selbst ausgefochten hatte, aber sie hat es geschafft und ist jetzt relativ stabil als "Erdenbürgerin". Mehr Geografie will sie nicht, hinsichtlich ihrer Identität. Aber wie können Kinder diese Orientierungslosigkeit aushalten, wenn sie "nur" eine Nationalität haben und eigentlich an eine feste Zugehörigkeit gewöhnt sind? Wenn sie in einer Gesellschaft aufwachsen, in der klare und eindeutige nationale Zuweisungen selbstverständlich sind? Erwachsene kennen Fernweh und Heimweh. Was kann man Kindern an die Hand geben, um die Knoten zwischen Sprache, geografischem Aufenthaltsort, Nationalität und eigener Geschichte irgendwie aufzudröseln und eine Identität daraus wachsen zu lassen? Immerhin wirft so ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt ja doch einige Fragen auf, die über pure Sprachprobleme hinaus gehen. Das "Wer bin ich?" wird ja nicht durch einen Blick in den Spiegel oder einen Blick in den Pass klargemacht. Identität klärt sich zu einem ganz großen Teil aus dem, was andere über einen selbst wissen, sagen, denken. Da ist man jahrelang als "die Deutsche" in Japan, kehrt nach Deutschland zurück und wird von alten Freunden plötzlich als "die Japanerin" gesehen ...


Shizuka hat ihre eigene Lösung gefunden. Sie hat eine kleine, ledergebundene Kladde angelegt, in der ihr alle Personen, die ihr nahe stehen, etwas schreiben oder malen dürfen. Das können Gedichte sein, Songtexte, Adressen, Buchtipps oder Skype-Kontakte. Da stehen deutsche und japanische Sachen drin, da sind Bilder, Fotos und Aufkleber. Jeder und jede darf so viele Seiten verwenden, wie er oder sie will. Einzige Vorgabe: positive Grundstimmung. Es ist erstaunlich, was Kinder, Eltern und Lehrkräfte im Laufe der Zeit da so alles hineingeschrieben haben. Manches ist herrlich unbeschwert, andere Texte drücken eine enorme Ratlosigkeit bezüglich der Zukunft aus. Shizuka liegt manchmal abends im Bett und blättert einfach nur durch das Büchlein, liest mal hier und mal da und lächelt. Schön, dass da jemand seine Heimat unabhängig von geografischen Gegebenheiten gefunden hat.

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