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Dienstag, 2. Dezember 2014

Neue Schule - alles gut?

Shizuka hat die Schule gewechselt. Sie ist immer noch in einer deutschen Grundschule, sie ist immer noch in der vierten Jahrgangsstufe, sie ist immer noch sieben Jahre alt - aber plötzlich ist alles anders. Shizukas Papa ist nämlich nach Japan versetzt worden, und wir kommen jetzt in den Genuss einer exzellenten deutschen Auslandsschule, die sich der Begabtenförderung verschrieben hat und das auch, soweit ich das beurteilen kann, ganz gut hinkriegt. 

Wie funktioniert eine Grundschule, die unterschiedliche Begabungen fördert? Hier wird nicht nach Fächern getrennt gearbeitet, sondern nach Epochen. Eine Epoche im vierten Schuljahr ist die Erde, eine andere ist das Sonnensystem, eine weitere Epoche ist der Mensch, gerade wird Feuer behandelt. Zu diesem Epochenthema werden Wochenpläne erstellt - jede Epoche bekommt vier Wochen Raum im Unterricht. In diesen vier Wochen drehen sich alle Texte im Deutschunterricht um das Epochenthema, die mathematischen Themen dienen dem besseren Verständnis des Epochenthemas, der Sachunterricht beschäftigt sich mit Experimenten, Ausflügen, Erfahrungen und historischen Betrachtungen zum Epochenthema. Im Englischunterricht wird am Epochenthema gearbeitet, in Sport idealerweise auch. Im Musikunterricht sollte das auch so sein, funktioniert aber nicht, denn der folgt irgendwie eigenen Regeln und hat gerade, wo alle sich um das Feuer bemühen, Dur und Moll zum Thema. Passend werden allerdings in der einmal wöchentlich stattfindenden Chorstunde Weihnachtslieder von brennenden Kerzen am Baum gesungen, immerhin ist Adventszeit.

Das Besondere am Unterricht ist, dass die Kinder zum Teil gar nicht merken, was sie lernen und anwenden. Sie sind so auf die spannenden Projekte und Experimente fixiert, dass der Rest so ganz nebenbei läuft. Bis dann am Ende der Epoche die neu gelernten Wörter in einem Diktat abgefragt werden oder ein Aufsatz zum Thema geschrieben werden soll. Aber selbst der Aufsatz ist nett verpackt, der letzte zur Sonnensystem-Epoche hieß einfach: Schreibt jeder einen Artikel für die Schulzeitung über Euer Projekt in der Epoche Sonnensystem. Wenn Noten keine Rolle zu spielen scheinen, hat keiner Angst davor. Es scheint zu funktionieren, die Texte sind atemberaubend informativ geschrieben, fantasievoll und kreativ, und der rote Faden ist ebenfalls vorhanden - bei einem Anteil von etwa 50 % Kindern, die nicht muttersprachlich sind, ist das eine Leistung, die ich bewundere. Wie konnte das sein? Die Kinder wurden gut vorbereitet. Die Arbeit am Epochenthema sieht jeweils vor, dass jedes Kind sich ein Projekt aussucht, dass es selbst erarbeitet und der Klasse präsentiert. Die Präsentationen werden benotet, einmal im sprachlichen Teil für den Deutschunterricht, dann aber auch fachlich und organisatorisch für den Sachunterricht. Die Kinder wissen das, sie bereiten sich gewissenhaft auf die Projekte vor und sind eigentlich ganz firm in der Präsentation. Es gibt keine Powerpoint-Geschichten, sondern Bilder, Vorträge, Rätseleinlagen und witzige Experimente. Wer sich so tief in ein Thema reinkniet, der kann auch gut darüber schreiben. Die Kinder lernen ganz nebenbei, sich effizient und umfassend auf eine Prüfung vorzubereiten - ohne es zu merken. Während der Projektvorbereitung stehen iPads, Laptops, die Schulbücherei und natürlich der WLAN-Anschluss zur Verfügung. Eltern dürfen als "Experten" hinzu gezogen werden, Lehrkräften fragt man Löcher in den Bauch. Begleitet wird das von ganz normalen Lernmaterialien aus Deutschland, die in den meisten Grundschulen ohnehin verwendet werden.

Shizuka hat der Wechsel gut getan. Sie hat jetzt nicht mehr vier oder fünf Stunden Unterricht täglich, sondern sieben bis zehn Stunden. Sie isst mittags mit Klassenkameraden in der schuleigenen Cafeteria, an einem Buffet, das den Kindern die Wahl zwischen japanischen, deutschen und internationalen Gerichten lässt. Das ist täglich die fünfte Stunde, die als Schul- und Unterrichtszeit verpflichtend im Stundenplan steht. Eltern sind eingeladen, mit ihren Kindern zusammen zu essen, und die Lehrerschaft sitzt an einem eigenen Tisch daneben. Eine weitere Stunde täglich ist die sogenannte Lernzeit - die Kinder arbeiten unter lockerer Aufsicht an ihren Wochenplanaufgaben, die sie sich gegenseitig nachsehen und abzeichnen dürfen, wenn sie nicht Lehrer und Eltern bemühen wollen. Schön ist, dass diejenigen, die die Zeit effizient nutzen, ohne Hausaufgaben nach Hause kommen. 

Nach Unterrichtsende steht den Kindern die Bücherei offen, die es mit den meisten deutschen Stadtbüchereien durchaus aufnehmen kann. Computer und Internetanschluss sind vorhanden, Drucker dürfen genutzt werden, eine Spielecke mit Brettspielen gibt es und Zeitschriften für alle Altersstufen. Nicht wenige Kinder verabreden sich mit Klassenkameraden nach dem Unterricht in der Bücherei und lassen sich dort von den Eltern abholen. Gegenseitiges Vorlesen quer durch alle Klassenstufen scheint da genauso normal zu sein wie Eltern, die am eigenen Laptop arbeiten. Die Lernwerkstatt steht ebenfalls zur Verfügung - kostenlos können die Kinder bis um halb sechs abends betreut werden. Dort gibt es Spiele, Bücher, Bastel- und Malmaterial, einen großen Spielplatz und Einräder, Pedalos und wieder Projekte. Hier werden Tonfiguren gebaut, es wird gezimmert, gehämmert, mit Pappmaché gearbeitet und zusammen gesungen. Wer will, darf sich natürlich auch von hier aus in die Bücherei verabschieden.

Was macht Shizuka in der Freizeit? Montags sitzt sie in der Bücherei nach dem Schulunterricht und arbeitet an ihrem Projekt. Computer ohne Mama ist total cool, und sie arbeitet wirklich gut. Dienstags hat sie bis um halb fünf abends Schwimm-AG, damit ist der Tag gelaufen. Mittwochs geht es meist in die Bücherei (bis um kurz nach vier der Klavierunterricht an der Schule stattfindet), donnerstags hat sie früh Schule aus (schon um 14.00 Uhr) und will meistens auf den Spielplatz gehen. Und freitags will sie meistens auch in die Bücherei gehen. Freunde treffen, lesen, spielen, das ist einfach cool. Und wenn die Lehrer dabei rumhängen, stört das irgendwie nicht, denn die Lehrer hier sind in vielen Fällen die Eltern von den Klassenkameraden. Samstags ist keineswegs Wochenende, samstags trifft sich Shizuka im Aikido in der Schule mit anderen Eltern und Kindern oder geht im schuleigenen Schwimmbad schwimmen. Oder tritt mit dem Schulchor auf. Und sonntags sehen wir die Hälfte der Schulgemeinde wieder in der deutschen katholischen Gemeinde, auf dem Adventsbasar oder auf den wohnortnahen Spielplätzen. Das stört aber irgendwie gar nicht, denn die Leute trennen nicht zwischen Schule und Privatleben. Sie leben einfach. Und Shizuka genießt das. Alles nur Menschen, alles okay.

Und ansonsten? Nun, die Hausaufgabenproblematik hat sich nicht gelegt. Alles, was außerhalb der Schule an drögen Abschreibaufgaben vorliegt, ist pfui bäh und wird bestmöglich ignoriert. Aber Kinder wie Shizuka sind nicht selten an dieser Schule, die Lehrer kennen die Problematik - Hausaufgaben dürfen mündlich erledigt werden, dürfen ganz liegen bleiben, solange die Ergebnisse in der Klasse stimmen und der Lösungsweg klar ist. Alles ganz locker. Und Shizuka spielt mit den Klassenkameraden. Und mit den Klassenkameradinnen. Sie hat Kinder gefunden, die zwischen elf und sechs Jahren alt sind und genauso ticken wie sie, manche sogar noch etwas krasser. Alle sind wenigstens zweisprachig aufgewachsen, die meisten beherrschen drei oder vier Sprachen, haben bisher in zwei oder mehr Ländern gelebt. Das Ergebnis ist, dass sie morgens freudig aufsteht, mit einem Lachen zur Schule geht und abends nicht die Bücherei verlassen will. Nach Hause gehen ist doof, wenn die Schule der Lebensmittelpunkt ist. Und Schule ist Lebensraum, nicht Zeit, die man absitzen muss. Neulich sagte die groß gewordene Kleine zu mir: Mama, es ist egal, ob es Wochenende oder wochentags ist. Hier ist Schule genauso spaßig wie Freizeit.

Und die Noten, die Klassenarbeiten? Die sind gut. Die rangieren zwischen eins und vier, wobei letzteres eigentlich nur Englisch betrifft. Warum so schlecht? Weil die Kinder in Japanisch und Englisch in altersgemischten Kompetenzstufen unterrichtet werden. Shizuka ist scheinbar in einer muttersprachlichen Klasse gelandet, kann aber dank des fast nur mündlichen Englischunterrichts in Deutschland nicht schreiben. In Japanisch sitzt sie auch bei den Muttersprachlern, sehr zur Freude des zuvor skeptischen Papas, der seine kleine Japanerin lieber in einer japanischen Grundschule gesehen hätte.

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